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Donnerstag, 23. Januar 2014

Anlegeranwälte stehen schon in den Startlöchern und buhlen um Mandanten. „Betroffene sollten jetzt dringend ihre Ansprüche prüfen lassen“, sagt etwa Andreas Tilp aus Kirchtellinsfurt

Insolvenz des Windpark-BetreibersProkon-Anleger wollen bessergestellt werden

  ·  Der insolvente Betreiber von Windparks finanzierte sich über Genussscheine. Diese haben ihre Tücken. Doch manche Anwälte sehen kleine Chancen für Auswege.
© DPAVergrößernWindige Angelegenheiten: Werbematerial von Prokon
Viele Aspekte rund um die Insolvenz von Prokon sind noch unklar. Doch in einem Punkt sind sich die Anlegerschützer einig: Die Geldgeber werden das Kapital, das sie dem Finanzierer von Windkraftanlagen anvertraut haben, zum großen Teil abschreiben müssen. „Das ist ein trauriger Tag für die betroffenen Anleger“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Klar sei aber auch, dass die rund 75.000 Geldgeber keine Schuld treffe. Ursprung der Insolvenz sei eine „handwerklich fehlerhafte Kombination“ von langfristigen Projekten, die das Kapital 10 bis 20 Jahre lang binden - finanziert mit höchst kurzfristig kündbarem Genussscheinkapital.
„Auch wenn der Insolvenzantrag sicher einen Schock bedeutet: Die Anleger können nun sicher sein, dass künftig alles geordnet und unter gerichtlicher Aufsicht geschieht“, sagt Christoph Niering, Vorsitzender des Verbands der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID). Der Verwalter sei von Gesetzes wegen ausschließlich ihren Interessen verpflichtet. Zunächst werde er das vorhandene Vermögen sichern - die sogenannte Masse. Anschließend werde er versuchen, das Unternehmen zu sanieren und dafür sorgen, dass die Gläubiger den ihnen zustehenden Anteil erhalten - die Quote.

Bei Liquidierung würden die Anleger als Letzte bedient

Rund 1,4 Milliarden Euro hatte Prokon bei Anlegern eingeworben. Sie erwarben Genussrechte, eine besondere und relativ wenig bekannte Form der Geldanlage, eine Mischform aus Fremd- und Eigenkapital. Darüber hinaus haben diese einige Besonderheiten, die nun große Wirkung entfalten könnten. Anders als Aktien gewähren Genussrechte kein Stimmrecht. Und anders als Anleihen bieten Genussrechte keine feste Verzinsung, sondern meist einen Anteil am Gewinn.
Die Welt der Genussscheine ist bunt und wenig transparent. Jeder Emittent genießt relativ große Freiheiten, sie nach seinen individuellen Vorstellungen zu gestalten. Prokon veränderte die Bedingungen sogar zuweilen von Emission zu Emission. Doch in jedem Fall sind Genussrechte nachrangige Forderungen. Das hat zur Folge, dass die Anleger - falls der Insolvenzverwalter Dietmar Penzler nun Prokon liquidieren sollte - als Letzte von allen Gläubigern bedient werden.
Noch eine Besonderheit rächt sich für die Anleger: Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin prüft Emissionen von Genussrechten nicht. Zwar müssen die Emittenten einen Wertpapierverkaufsprospekt erstellen und bei ihr einreichen. Doch diese schaut sich diesen Prospekt nur auf formale Vollständigkeit an. Inhaltlich prüft die Finanzaufsicht nicht.

Ein letzter Lichtblick

Sollte das Amtsgericht ein Insolvenzverfahren eröffnen, ist nicht unbedingt alles verloren. Prokon-Gründer Carsten Rodbertus hat am Donnerstag angekündigt, einzelne Windparks zu verkaufen. Am Ende des Insolvenzverfahrens könnte so genügend Vermögen vorhanden sein, um den Anlegern zumindest einen Teil zurückzubezahlen. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger geht davon aus, dass Prokon hohe Sachwerte besitzt, Windkraft- und Biomasseanlagen etwa. Diese muss der vorläufige Insolvenzverwalter nun bewerten. Die stillen Reserven bezifferte Prokon selbst für Ende Oktober mit 115 Millionen Euro - 37 Millionen Euro in realisierten Windparks und 78 Millionen Euro in solchen, die im Bau sind.
Einen Lichtblick gibt es: In einer möglichen Insolvenz würden Inhaber von Genussrechten zwar nachrangig behandelt. Doch Prokon war nur zu einem kleinen Bruchteil über Bankkredite finanziert: Das Unternehmen selbst gibt deren Höhe mit 59 Millionen Euro an. Das weckt die Erwartung, dass die Vermögenswerte von Prokon weitgehend zur Befriedigung der Ansprüche der Anleger dienen könnten.

„Betroffene sollten jetzt dringend ihre Ansprüche prüfen lassen“

Insolvenz-Experte Niering kann sich sogar vorstellen, dass zumindest ein Teil der Forderungen nicht nachrangig, sondern als normal einzustufen ist. Das müsse nun der vorläufige Insolvenzverwalter herausfinden. Vorläufig können auch keine Ansprüche angemeldet werden. Einzelne Gläubiger darf die Windenergiefirma jetzt nicht mehr auszahlen, damit niemand bevorzugt wird. Nach Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens müssen die Anleger ihren Anspruch beziffern und begründen. Diese Hürde ist nicht niedrig, denn ihre Forderung ist an den Buchwert der Genussrechte gebunden. Weil Prokon noch keinen testierten Konzernabschluss vorgelegt hat, ist unklar, wie hoch dieser Buchwert ist.
Anlegeranwälte stehen schon in den Startlöchern und buhlen um Mandanten. „Betroffene sollten jetzt dringend ihre Ansprüche prüfen lassen“, sagt etwa Andreas Tilp aus Kirchtellinsfurt. Er hofft, dass sich neben Rückzahlungswünschen Schadensersatzforderungen begründen lassen. Das würde die Geldgeber in der Reihenfolge, in der die Forderungen bedient werden, etwas nach oben hieven. Denkbar ist dies etwa, wenn ein strafbarer Betrug vorliegt: Käme beispielsweise heraus, dass Prokon von vornherein keine Chance sah, jemals Geld zu verdienen, sondern die Einlagen nur immer wieder an neue Investoren umverteilen wollte, läge ein Schneeballsystem vor. Dagegen spricht, dass Prokon mehr als 300 Windparks baute. Die Juristen sehen eine zweite Möglichkeiten, die Forderungen der Anleger aus der Nachrangigkeit zu holen. So setzt die Kanzlei Göddecke aus Siegburg auf eine andere Allzweckwaffe: Ihr Anwalt Marc Gericke wittert „intransparente Vertragsklauseln“. Dann könnten die Gerichte die Kontrakte wegen Verstoßes gegen die Vorschriften für allgemeine Geschäftsbedingungen kippen.
Die Genussrechte jetzt noch zu kündigen, bringt nach Ansicht von Fachleuten nichts, weil ihre Forderungen auch dann weiterhin als nachrangig behandelt würden. Sollte es nicht zu einem Insolvenzverfahren kommen, können Anleger ihre Genussrechte immer noch kündigen.
Quelle: F.A.Z

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/insolvenz-des-windpark-betreibers-prokon-anleger-wollen-bessergestellt-werden-12766591.html

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